Nachts alleine den Broadway herunterspazieren - das wird mir nie langweilig. Eile verbietet sich von selbst, funktioniert oft allein auch physisch schon gar nicht. Schon einige Blocks bevor der Times Square auftaucht, beginnt es zu brummen, dann tauche ich ein in ein Meer von Touristen, aufgebrezelten Teenagern, Paaren, Strassenmusikern und Haendlern. Tausende von Augen, die nach oben schauen. Menschen, die andere beim Fotografieren filmen und umgekehrt. Ich fuehle mich abgeklaert genug, um mir die Menschen und nicht die Lichter anzuschauen und zu wenig abgeklaert, um es nicht umwerfend zu finden.
Wenn ich die 42. Strasse ueberquert habe, hoert es abrupt auf. Ich erwache aus einem Rausch und laufe die letzten neun Blocks hinunter, beschwingt und erfrischt, als haette ich nicht gerade 12 Stunden gearbeitet.
glimo - 5. Okt, 00:47
Irgendetwas Wunderbares hat diesen Ort vor seinem Untergang gerettet: ein Kinopalast alter Schule, pompoes wie ein Opernhaus, morbide wie eine alte Fabrik. Direkt an unserer Bahnstation in Jersey. Vielleicht ein unattraktiver Ort fuer Investoren. Und deshalb wurde er nicht abgerissen.
Drinnen glitzert es dunkel. Blutrot, golden und kristallen. Mit Ornamenten wurde nicht gespart.
An seinem 75. Geburtstag gibt es fuer 35 Cent "Mr. Smith goes to Washington". "Today's Entertainment at yesterday's prices". Wieso eigentlich nicht gleich yesteryear? Diese Art von Event scheint eher Leute mit demselben Geburtsjahr anzulocken. Nicht besonders hip. Ist ja auch nur Jersey. Fairerweise muss ich sagen, es hat geschuettet wie aus Kuebeln, den ganzen Tag, die ganze Nacht, da geht man ungern auch nur ueber die Strasse.
Die Akustik ist gewoehnungsbeduerftig, der Film auch, trotzdem habe ich den ganzen Abend das Gefuehl, bei etwas Besonderem dabei zu sein ...
glimo - 5. Okt, 00:34
Darf ich M. glauben, dann ist der Laubtourismus hier noch wesentlich groesser als der Sommertourismus. Diese Farbexplosion darf man sich natuerlich nicht entgehen lassen, obwohl ich es eigentlich noch immer als hauptsaechlich gruen empfinde.
Am Freitag sind wir also aufs Land gefahren, in ein friedliches Dorf, umgeben von sanften Huegeln und bunten Holzhaeusern mit weissen Fensterrahmen. Der Himmel so tiefblau, dass es in den Augen schmerzte, wenn man sie anhob, um den immer kreisenden Raubvoegeln zuzusehen. Dieser Frieden, diese Ruhe. Dass das Dorf das Wort "Factory" im Namen traegt, ist ein purer Euphemismus.
Die weit ausgebreiteten Arme unserer aller Freunde Donna und Calvin, Tommy und Ralph ...
glimo - 5. Okt, 00:20
Es ist Mitternacht, ich bin gerade nach Hause gekommen, und auf dem Kuechentisch steht eine unangetastete Pizza vom Domino-Lieferservice. Dazu ein Paket mit Pizzabrot, auch das ist unberuehrt.
Beides duftet dezent vor sich hin, obwohl es schon eiskalt ist. Oben laeuft der Fernseher - moerderisch laut. Was ist los - sind alle noch am Leben?
glimo - 5. Okt, 00:08
Der Kuehlschrank in unserem Zimmer ist die perfekte Tinitus-Emulation.
Man spuert den Schmerz erst, wenn er sich zwischendurch kurz abschaltet, um neuen Atem zu holen ...
glimo - 5. Okt, 00:04
In der unangenehmen Situation, lange Texte schreiben zu muessen, ohne einen eigenen Computer zu haben, lerne ich die lokale Bibliothek mehr und mehr schaetzen ...
Es fing damit an, dass der Mann am Tresen fragte: "Where is Giles?" Als waere ich ihm nicht gut genug. Spaeter tauchte er hinter mir auf: "Hey Cherry, you write in German?" Dann begann er mir Minuten - nein ganze Stunden - zuzuschustern.
Die strenge Lady von der Buecherrueckgabe schlug auch bald in dieselbe Kerbe. Am letzten Abend schaekerte sie sogar mit mir, meine Diskette hinter ihrem Ruecken versteckt: "Where's your floppy, Cherry?"
"Bye - see ya tomorrow ..."
glimo - 5. Okt, 00:00